Pressemeldungen

Rede von Bürgermeister Simon zum Volkstrauertag 2023

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

wir kommen heute wieder hier am Volkstrauertag zusammen, um den  Opfern von Gewalt und Krieg zu Gedenken.

Im letzten Jahr konnte niemand von uns glauben, dass wir wieder einen brutalen Krieg mitten in unserem Europa erleben, der in seinen Auswirkungen auch heute noch anhält und unseren Alltag massiv betrifft.

Volkstrauertag_2023_Mfg

v.l.n.r. Erster Beigeordneter Frank Kollmus, Stellv. Vorsitzender der Gemeindevertretung
Kai Gerfelder, 
Vors. VdK Mainflingen Gerhard Wurzel, Bürgermeister Frank Simon,
Vorsitzender der Gemeindevertretung Dieter Jahn, Pfarrer Stefan Selzer 

Zugleich sehen wir einen Krieg im Gazastreifen, welcher erst vor wenigen Wochen seinen Beginn fand und der uns auf erschreckende Art und Weise die Vergangenheit widerspiegelt. Eine Weltlage die uns allen Angst und Sorge bereitet.

Aber trotz allem ist dies ganz anders als bei den Mainhäuser Familien, deren sinnlos in den beiden Weltkriegen gestorbenen Angehörigen hier am Ehrenmal mit ihrem Namen geschrieben stehen. Während wir uns heute um steigende Heizkosten und hohe Inflationsraten sorgen, stellten sich damals Mütter und Väter der bitteren Wahrheit, dass ihre Kinder nie mehr nach Hause kommen würden. Trauer und Leid senkte sich über fast alle Familien. Zukunft war für sie damit sinnlos geworden. Und wir möchten und können es uns gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn genau jetzt, während wir hier stehen, unsere Söhne und vielleicht auch Töchter unter Beschuss in einem elenden Schützengraben liegen würden. Soviel zu den Menschen, die in der Ukraine in Russland, im Gazastreifen jeden Tag aufs Neue hoffen, dass ihr Kind am gleichen Abend noch lebt.

Unsere heutige Gedenkfeier soll ein Zeichen der Erinnerung setzen. Sie soll ein Symbol für den Schmerz und die Hilflosigkeit der Menschen im Angesicht von Krieg und Verlust sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Tod und Trauma sind Themen, die in Deutschland immer wieder gerne verdrängt werden. Für ein Land, dessen Name in Verbindung mit unendlichem Leid steht, ist dieses Unbehagen verständlich. Wir müssen jedoch die Erinnerungskultur lebendig halten und die Sprachlosigkeit immer wieder überwinden. Die dunklen Seiten unserer Geschichte können wir nicht abstreifen oder vergessen. Das würde bedeuten, einen Teil unserer eigenen Wurzeln abzutrennen. Wir brauchen Raum und Zeit zum Innehalten und Bewusstmachen. Auch deshalb ist dieser Tag, der Volkstrauertag, ein wichtiges Ereignis.

Wie können wir mit den Lasten zweier von uns zu verantwortender Weltkriege umgehen, obwohl sie schon mehr als 80 Jahre zurückliegen und es kaum noch Augenzeugen gibt? Wir können das Geschehene nicht rückgängig machen. Der einzige Weg, der uns bleibt ist, dafür mit aller Kraft einzutreten, dass Krieg und Diktatur sich nicht wiederholen können. Gerade im Angesicht der aktuellen Entwicklungen ist es überlebenswichtiger denn je.

Lassen wir eine Zeitzeugin sprechen und erlauben Sie mir, einen Auszug aus dem Gedicht „Nicht aus der Kindheit“ der Russin Julia Drunina zu zitieren. Sie wurde 1924 in Moskau geboren und starb in derselben Region im Jahr 1991. Sie war also zu Beginn des Zweiten Weltkriegs 15 Jahre und am Ende des Kriegs 21 Jahre jung.

„Nicht aus der Kindheit, aus dem Krieg stamme ich. Und ich begriff im Ansturm der Gefahren, wir sind verpflichtet heut und ewiglich, den kleinsten zarten Grashalm zu bewahren.“ „Nicht aus der Kindheit, aus dem Krieg stamm ich und bin von dünner Haut bis an mein Ende.“

Ich persönlich finde diesen Text sehr berührend. Es erfüllt mich mit großem Schmerz zu wissen, dass es heute in Europa und der Welt wieder Menschen gibt, denen dieses Schicksal nicht erspart bleibt. Vor allem weil sehr deutlich wird, welche langwierigen Auswirkungen Kriege auf Mensch, Natur und Kultur haben. Ich denke, es ist fast unvorstellbar, mit welcher Brutalität die jeweiligen Kriegstreiber Anwohner, Landschaft und Kulturgüter vernichten. In den letzten Monaten haben wir leider fast täglich solche Bilder in Nachrichten und Reportagen sehen müssen. Aber es macht meiner Ansicht noch mal einen riesigen Unterschied, vor Ort und direkt betroffen zu sein.

Der heutige Tag ist der Trauer gewidmet. Wir gedenken all der Opfer und auch der Millionen getöteter deutscher Soldaten. Wir trauern mit allen, die durch Kriege ihre Angehörigen, ihre Heimat und auch ihre Zukunftsperspektive verloren haben. Kriegerische Auseinandersetzungen hinterlassen dauerhaft schmerzliche Lücken in unzähligen Familien. Wir müssen auch an jene Menschen denken, die heldenhaft Widerstand geleistet und dafür mit ihrem Leben bezahlt haben. Und an die Menschen, die jetzt und heute mit großem Mut immer noch für Freiheit, Frieden und auch für unsere Demokratie aufstehen und viel riskieren.

Dieser Tag soll gleichzeitig auch ein starkes Symbol für Frieden und Versöhnung sein. Er soll uns daran erinnern, dass wir alles für den Frieden in Europa und auf der Welt tun müssen, was in unserer Macht steht.

Sie wissen aus den Diskussionen der vergangenen Wochen und Monate, dass hier derzeit keine Einigkeit besteht, wie man dem Ukrainekrieg und seinen Auswirkungen am besten begegnet. Die Meinungen in europäischer Politik und Wirtschaft und in Deutschland gehen weit auseinander, welche Hilfsmaßnahmen bei kriegerischen Auseinandersetzungen die richtigen sind. Welche Handlungen führen zum Ziel, das heißt, wie schaffen wir es, den richtigen Beitrag zu leisten, um den Krieg zu beenden? Wie soll die Unterstützung der Opfer konkret aussehen? Ich denke, diese Diskussionen werden uns auch in Zukunft weiter begleiten. Eine wirkliche und solidarische Lösung wird ganz Europa ein Stück Wohlstand abverlangen, ob uns das passt oder nicht.

Der Volkstrauertag ist auch ein Tag des Appells. Und er muss ein Tag der Hoffnung sein. Unsere Hoffnung auf Frieden dürfen wir nie verlieren. Wir vertrauen darauf, dass wir den Herausforderungen gemeinsam und friedlich begegnen werden und einen Weg zur Verständigung finden können. Wir arbeiten für den Frieden. Die Herausforderung in der heutigen Zeit ist es, sich für das Verbindende in Europa einzusetzen und nicht für das Trennende. Dabei denke ich auch an unsere Partnerschaft mit der Gemeinde Pöls-Oberkurzheim in der österreichischen Steiermark. 

Wir müssen uns mit aller Kraft in Deutschland für Demokratie und Toleranz und in unseren Auslandsbeziehungen für Versöhnung und Verständigung einsetzen. Unsere europäischen Nachbarn haben uns vor langer Zeit die Hand zur Versöhnung gereicht. Das ist ein wertvolles Geschenk der Geschichte, das es zu bewahren gilt. Dafür ist es notwendig, dass wir das zugefügte Leid nie vergessen.

Denken wir immer daran: jeden Tag und jede Stunde als Geschenk zu betrachten. Verlieren wir in unserem geschäftigen Alltag nie aus dem Blick, wie wertvoll jede Stunde unseres Lebens ist.

Vielen Dank